Zusammenhänge von Annahmen über ADHS mit günstigen und ungünstigen Erwartungen: Eine explorative Studie mit angehenden sonderpädagogischen Lehrkräften

Abstract

Die Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS) ist eine häufig diagnostizierte
Störung, mit der Lehrkräfte aller Schulformen konfrontiert werden. Wenig untersucht sind
die Annahmen von angehenden und praktizierenden Lehrkräften über ADHS und ob diese
mit ungünstigen Erwartungen zusammenhängen, die als negative selbsterfüllende Prophe-
zeiungen wirken können. Anhand von Daten einer Online-Umfrage mit Studierenden der
Sonderpädagogik (N = 197) werden Zusammenhänge von Annahmen über die Verteilung,
Verursachung und Veränderbarkeit von ADHS mit affektiven Reaktionen auf ein betrof-
fenes Kind sowie Erwartungen über dessen zukünftige Entwicklung regressionsanalytisch
untersucht. Tendenziell zeigen sich Zusammenhänge zwischen der Annahme eines ADHS-
Kontinuums (im Gegensatz zu einer distinkten Störung) mit einer günstigeren Sozialprog -
nose, allerdings auch mit einer geringeren Bereitschaft einem Kind mit ADHS zu helfen.
Psychosoziale Ursachenannahmen hängen mit einer pessimistischen Entwicklungserwar-
tung zusammen, allerdings auch mit günstigen affektiven Reaktionen. Weiterhin zeigen
sich Zusammenhänge biogenetischer Ursachenannahmen mit einer günstigen affektiven
Reaktion, allerdings auch mit der Erwartung von größeren Lern-Leistungsproblemen. Die
im Sinne eines Fixed Mindset untersuchte Annahme der Unveränderbarkeit von ADHS
hängt weder mit affektiven Reaktionen noch mit Entwicklungserwartungen zusammen. Die
Studienergebnisse deuten auf komplexe Zusammenhänge zwischen Annahmen über die
Verteilung und Verursachung von ADHS sowohl mit günstigen als auch mit ungünstigen
Reaktionen und Erwartungen hin, die weiter untersucht werden sollten. Insgesamt sind
die festgestellten Zusammenhänge eher klein und fallen zum Teil erwartungswidrig aus,
so dass weiterführende Studien notwendig sind. Die Ergebnisse stützen die Einschätzung,
dass Aus- und Fortbildungen für (angehende) Lehrkräfte zum Thema ADHS differenziertes
Wissen zur Störung und zum Umgang mit der Diagnose vermitteln sollten.

Bibliographical data

Original languageGerman
ISSN1869-4845
Publication statusPublished - 20.07.2021