Zum „Material“ werden. Die Sammlung Weygandt (1908–1934)

Abstract

Der Beitrag skizziert die Anliegen eines geplanten, kooperativen Forschungsprojekts zur Geschichte der Sammlung Weygandt. Die im Zeitraum von 1908 bis 1934 unter dem Psychiatrieprofessor und Anstaltsdirektor Wilhelm Weygandt (1870–1939) entstandene anatomische Sammlung der Staatskrankenanstalt Friedrichsberg in Hamburg umfasste sowohl menschliche als auch tierische Schädel, Gehirne und anatomische Präparate sowie Fotografien und weitere Abbildungen zu Lehrzwecken. Am Beispiel der Human Remains der in Friedrichsberg verstorbenen Patientin Helene B. wird der Prozess der ‚Materialwerdung‘ dargestellt. Dabei wird der zeitgenössisch häufig verwendete Begriff des „Krankenmaterials“ kritisch hinterfragt und historisch kontextualisiert. Zu den zentralen Entstehungsbedingungen der Sammlung gehörten die Lage der Friedrichsberger Anstalt in der Hafenmetropole Hamburg und ein materialistischer, expansiver psychiatrischer Empirismus um die Jahrhundertwende. Mit Ansätzen aus der historischen Infrastruktur- und Wissenschaftsforschung werden in dem Forschungsprojekt die Verschränkungen von Wissenschaft und Ökonomie sowie Praktiken der Zirkulation in den Blick genommen. Der vorliegende Aufsatz skizziert dazu erste Eingangsüberlegungen. Zudem gilt es in dem geplanten Forschungsprojekt auch, die Biografien der zum „Material“ gewordenen Individuen zu rekonstruieren und die verschiedenen Formen der systemischen Gewalt in der Sammlungsgenese sichtbar zu machen.

Bibliographical data

Original languageGerman
Title of host publicationEin kritischer Blick zurück: Provenienzforschung in Sammlungen und Museen : Beiträge zum Workshop der Justus-Liebig-Universität Gießen
EditorsErnst Seidl, Frank Steinheimer, Cornelia Weber
REQUIRED books only: Number of pages10
Place of PublicationBerlin
PublisherHumboldt-Universität zu Berlin
Publication date06.02.2024
Edition1
Pages114-123
DOIs
Publication statusPublished - 06.02.2024