Schuldfähigkeit bei Personen, die wegen Nutzung von Missbrauchsabbildungen angeklagt sind

Abstract

Die Nutzung von Missbrauchsabbildungen (umgangssprachlich „Kinderpornografie“) und damit im Zusammenhang stehende Straftaten haben in den letzten Jahren an Bedeutung gewonnen. Der vorliegende Aufsatz beleuchtet die gängigen
forensisch-psychiatrischen Kriterien zur Einschätzung der Schuldfähigkeit bei Personen, die wegen des Erwerbs, Besitzes
oder der Verbreitung kinderpornografischer Schriften angeklagt sind. Liegt aus forensisch-psychiatrischer Perspektive eine
schwere Sexualpathologie vor, die die psychiatrischen Voraussetzungen für eine sog. schwere andere seelische Abartigkeit
erfüllt, so wird sich der Gutachter die Frage einer Steuerungsminderung stellen. Im Fall von Delikten im Zusammenhang
mit der Nutzung von Missbrauchsabbildungen lassen sich die Kriterien aus den Mindestanforderungen jedoch aus Sicht
der Autoren schlecht anwenden. Ein weiteres Problem bei der Begutachtung ist, dass sich die angeklagten Straftaten
häufig über einen längeren Zeitraum verteilen und daher der Sachverständige ggf. nach überdauernden psychopathologischen Hinweisen einer geminderten Steuerungsfähigkeit suchen muss. Die sexuelle Dranghaftigkeit, die motivationale
Steuerungsfähigkeit und die Desaktualisierungspotenz sind hilfreiche Konzepte, um die Steuerungsfähigkeit in diesem
Zusammenhang einzuschätzen. Eine überdauernde forensisch-relevante Steuerungsminderung, die sich ggf. über mehrere
Jahre hingezogen hat, wird im Zusammenhang mit der Nutzung von Missbrauchsabbildungen in der Regel nicht vorliegen
und eher einen Sonderfall darstellen.

Bibliographical data

Original languageGerman
ISSN1862-7072
DOIs
Publication statusPublished - 11.2020