Schlaf als Analogie des Todes in Medizin und Philosophie des frühen 19. Jahrhunderts

Abstract

Schlaf gilt, da er in regelmäßigen Perioden wiederkehrt und zu allen Zeiten auftrat, als eine anthropologische Konstante. In der Säuglingspflege ist das Bewusstsein für den durch Schlaf vorgegebenen Rhythmus der Lebensvorgänge besonders ausgeprägt. Bereits die Ratgeber des 19. Jahrhunderts diskutieren den Zusammenhang von Schlafrhythmus und Nahrungszufuhr. Doch das Bild der anthropologischen Konstante trügt. Es legt nahe, die Auffassung vom Schlaf sei über die Jahrhunderte hinweg gleich geblieben. Ein Ereignis das sich in derartiger Gleichförmigkeit Nacht für Nacht vollziehe, könne keiner Veränderung unterliegen.
Vor 200 Jahren wurde Frage nach dem Sinn des Schlafens grundlegend anders beantwortet als im 20. Jahrhundert. Heute gelten Regeneration und Erholung als oberste Ziele des Schlafs. Mediziner zerlegten ihn ab den 1920er Jahren durch Messungen und Beobachtungen in Rhythmen, die wiederum einzelnen Funktionen zugeordnet wurden. Bereits um 1900 hatte die Psychoanalyse Sigmund Freuds Schlaf und Traum voneinander getrennt.
Zu Beginn des 19. Jahrhunderts, in einer Zeit die wir heute mit dem Begriff Romantik in Verbindung bringen, und in der Medizin noch nicht am Krankenbett gelehrt wurde, und in der nicht die Naturwissenschaften, sondern die Philosophie Leitwissenschaft war, galt der Schlaf einem Großteil der Bevölkerung als Analogie des Todes. Wer schlief war, wie es der Religionsphilosoph der Weimarer Klassik, Johann Gottfried Herder beschrieb, in seiner Seele aufgehoben.
Der Beitrag befasst sich mit den philosophischen Vorstellungen vom Schlaf vor dem Hintergrund historischer und politischer Entwicklungen. Im Vordergrund steht die Frage, welche ontologische Bedeutung dem Schlaf und der ihm immanenten zeitlichen Komponente im Verlauf des 19. Jahrhunderts zukam.

Bibliographical data

Original languageGerman
Title of host publicationZeit Alter Schlaf. Aktuelle Kinderschlafmedizin
EditorsThomas Erler, Ekkehart Paditz
REQUIRED books only: Number of pages11
Place of PublicationDresden
PublisherKleanthes Verlag, Dresden
Publication date02.03.2018
Edition1
Pages12-22
ISBN (Print)9783942622219
Publication statusPublished - 02.03.2018