Assoziation zwischen präklinisch erhobenen Vitalparametern und der Einleitung einer zielgerichteten Sepsistherapie - eine retrospektive Kohortenstudie

FRAGESTELLUNG:
Der erste medizinische Kontakt mit Sepsis-Patient:innen erfolgt häufig durch den Rettungsdienst. Die
Bedeutung des qSOFA-Scores (quick Sequential Organ Failure Assessment) für die präklinische
Diagnose und Behandlung der Sepsis ist unklar. Ein entscheidender Faktor für das Outcome bei Sepsis
ist eine frühzeitige Diagnosestellung und nachfolgend eine zügige Einleitung einer spezifischen,
zielgerichteten Sepsis-Therapie. Das Ziel der vorliegenden Studie war daher zu prüfen, welche
Faktoren die Zeit bis zur Einleitung gezielten Sepsistherapien (empirische Antibiotikatherapie und
gezielte Volumentherapie) beeinflussen und welche Rolle hierbei der qSOFA-Score spielt.
METHODIK:
In unsere retrospektive Kohortenstudie wurden Patient:innen eingeschlossen, die im Zeitraum von 01.
Juni 2014 bis 31. Juni 2018 im Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf mit der Diagnose Sepsis
stationär behandelt und zuvor über den Rettungsdienst eingewiesen wurden. Erfasst wurden die Zeiten
vom ersten medizinischen Kontakt bis zur Einleitung gezielter Sepsis-Therapien, in Form einer
empirischen Antibiotikatherapie und gezielten Volumentherapie. Zur Identifizierung der präklinischen
Einflussgrößen auf die Zeit bis zum Beginn dieser Sepsis-Therapien (abhängige Variable,
logarithmiert) wurden zwei multivariable Modelle erstellt.
ERGEBNIS:
Es wurden 4.214 Patient:innen identifiziert, die im Studienzeitraum mit einer Sepsis stationär
behandelt wurden; 702 wurden über den Rettungsdienst eingewiesen und eingeschlossen. Die multiple
lineare Regressionsanalyse zeigte, dass eine Temperaturmessung, eine Herzfrequenz über 90/min und
der klinische Infektionsverdacht mit einer früheren Einleitung einer Antibiotikatherapie assoziiert
waren. Zudem war eine ärztliche Besetzung des Rettungsmittels ein Einflussfaktor für eine frühere
Antibiotikatherapie sowie eine frühere gezielte Volumentherapie. Wurden in das Modell zusätzlich
qSOFA-Parameter eingefügt, so waren eine Atemfrequenz ≥22/min und eine reduzierte
Bewusstseinslage Einflussfaktoren für eine frühere Antibiotikatherapie, und ein systolischer Blutdruck
≤ 100 mmHg, sowie ein reduziertes Bewusstsein Einflussfaktoren für eine frühere Volumentherapie.
Die Anpassungsgüte der Modelle (adj. r²=0.116 vs. adj. r²=0.137 für Antibiotikatherapie und adj.
r²=0.118 vs. adj. r²=0.162 für Volumentherapie) wurde durch die Hinzunahme der qSOFA-Kriterien
verbessert.
SCHLUSSFOLGERUNG
Die präklinische Erhebung der qSOFA-Parameter durch den Rettungsdienst war mit einer Verkürzung
der Zeit bis zu einer gezielten Sepsistherapie assoziiert.