Pathologie und Attraktionen

Abstract

Die Skepsis gegenüber der Nutzung menschlicher Körper für Forschung und Unterricht hat eine eigene Geschichte. Sie reicht von der in Großbritannien im 18. Jahrhundert aufkommenden (und nicht ganz
unbegründeten) Furcht vor den Resurrectionists genannten Grabräubern
im Dienst privater Anatomieschulen über intransparente Aneignungspraktiken
in Kliniken der Nachkriegszeit bis hin zu dem Verdacht,
der als Professor firmierende Plastinator Gunter von Hagens
stelle in seinen Körperwelten-Ausstellungen die Opfer von Hinrichtungen
in Pose. In diesen Fällen bemühte sich die akademische Medizin
unverzüglich um Distanzierung. Anders verhält es sich bei den spät
‚aufgefundenen‘ Präparaten von Opfern der Medizin im Nationalsozialismus
und den umfangreichen Sammlungen von human remains
aus rassenkundlichen und ethnographischen Interessen. Die mit ihrem
‚Erwerb‘ verbundenen Verbrechen fanden innerhalb akademischer
Diskurse statt. Kritische Auseinandersetzungen mit den Akteur:
innen wurden energisch zurückgewiesen, Forderungen nach
Überprüfung von Sammlungen als Angriffe auf eine ganze Wissenschaftskultur
interpretiert. Bitten um professionelle Sichtungen von
Sammlungsbeständen setzten Vertreter:innen anatomischer Institute
nicht selten mit der generellen Ablehnung von Sektionen und der
Nutzung von Leichen für wissenschaftliche Zwecke gleich. Die Ansinnen
wurden als Angriffe auf das Fach dargestellt und als naturwissenschaftsfeindlich
zurückgewiesen. Dieser Beitrag spricht die historischen
Kontexte an, die Debatten über menschliche Präparate und
ihre Herkunft bis heute prägen.

Bibliografische Daten

OriginalspracheDeutsch
TitelunBinding Bodies : Zur Geschichte des Füßebindens in China
Redakteure/-innenJasmin Mersmann, Evke Rulffes
ERFORDERLICH bei Buchbeitrag: Seitenumfang11
ErscheinungsortBielefeld
Herausgeber (Verlag)transcript Verlag
Erscheinungsdatum2023
Auflage1
Seiten108-118
ISBN (Print)978-3-8376-6834-6
ISBN (elektronisch)978-3-8394-6834-0
DOIs
StatusVeröffentlicht - 2023