Diabetesschulung von türkeistämmigen Menschen mit geringen schriftsprachlichen Kompetenzen - Ergebnisse einer Online-Befragung von schulenden Praxen

Abstract

Hintergrund
Bei einer Erkrankung an Diabetes mellitus ist die Schulung ein wesentlicher Therapiebaustein. Es mangelt an empirischen Daten zu Erfahrungen mit den anerkannten Schulungsprogrammen in der Schulung von Menschen mit einem (türkeistämmigen) Migrationshintergrund und geringen schriftsprachlichen Kompetenzen. Ziel der Untersuchung war die Erhebung der Erfahrungen von Praxen mit der Schulung dieser Personengruppe.
Methode
In einer quantitativen Querschnittserhebung wurden bundesweit 795 Praxen mit der Zusatzbezeichnung Diabetologie per E-Mail eingeladen, an einem vollstrukturierten, standardisierten Online-Survey teilzunehmen. Die explorative Datenanalyse erfolgte mit der Statistiksoftware IBM SPSS.
Ergebnisse
Von den N = 146 teilnehmenden Praxen (Rücklaufquote 18%) schätzten n = 66 (45%) den Anteil an Patient*innen mit Migrationshintergrund am Praxisklientel auf über 20% ein. Etwa 76% der schulenden Praxen (n = 119) schulten türkeistämmige Patient*innen, 46% dieser Praxen schätzten den Anteil derer mit geringen schriftsprachlichen Kompetenzen unter ihnen auf 10-50% ein. Weniger als 36% der Praxen waren geeignete Schulungsprogramme für die Zielgruppen bekannt. Vorhandene Programme wurden den Bedürfnissen entsprechend modifiziert, eigene Materialien kreativ erarbeitet. Zusätzliche kultursensible und bildreiche Materialien wurden gewünscht. Bei häufig erforderlichen Einzelschulungen gaben 42% der schulenden Praxen Schwierigkeiten mit der Abrechnung an.
Diskussion
Schulungen werden durch individuelles Hinzufügen und/oder Streichen von Inhalten unterschiedlich durchgeführt. An Kultur und Bildungsstand angepasste, evaluierte Materialien liegen kaum vor. Bei deutlich veränderter Zuwanderungsstruktur werden zunehmend sowohl Informationen und Materialien als auch Dolmetschende in weiteren Sprachen benötigt.
Schlussfolgerung
Die weitere Entwicklung evidenzbasierter, mehrsprachiger, bildreicher, kultursensibler und dem Bildungsstand angepasster Materialien und Schulungseinheiten sowie deren wissenschaftliche Evaluierung sind nötig. Inhalte zum Erlernen einer kultursensiblen, bildungsangepassten medizinischen Versorgung sollten vermehrt in Aus-, Weiter- und Fortbildung der Angehörigen von Gesundheitsberufen implementiert werden.

Bibliografische Daten

OriginalspracheDeutsch
ISSN1865-9217
DOIs
StatusVeröffentlicht - 09.2020