Die Diskussion über den Einsatz medikamentöser Zwangs- behandlung ist durch veränderte Rechtsgrundlagen neu ent- facht. Der folgende Beitrag führt in die Aspekte der rechtli- chen Grundlagen ein, gibt Kernpositionen der laufenden po- litischen Diskussion wieder und geht anschließend anhand empirischer Untersuchungen den Fragen nach, wie häufig medikamentöse Zwangsbehandlungen zum Einsatz kommen, wie sie von den Betroffenen erlebt und bewertet werden und ob sie nachweislich effektiv sind. Aus epidemiologischen Studien wird ersichtlich, dass die Häufigkeit von Zwangsme- dikation innerhalb Deutschlands und international erheblich variiert. Qualitative Daten in verschiedenen Kontexten weisen darauf hin, dass Zwangsmedikation bei vielen Betroffenen mit Angst, Ärger, Scham und Hilflosigkeit einhergeht und traumatisierend sein kann. Retrospektive Untersuchungen zeigen, dass Zwangsmedikation von etwa der Hälfte der Be- troffenen im Nachhinein als richtig bewertet wird. Belastbare empirische Belege für eine unmittelbare oder längerfristige Wirkung von Zwangsmedikation im Hinblick auf Aggressivi- tät, Erregung und Symptomatik fehlen. Aus empirischer Sicht erscheinen Zwangsbehandlungen demnach eher nicht ge- rechtfertigt, wobei belastbare Studien aus ethischen Gründen auch schwer zu erbringen sind. Aufgrund der ausgeprägten Schwankungen in der Prävalenz ist ferner fraglich, ob der Spielraum, auf Zwang zu verzichten und mildere Mittel an- zuwenden bislang bereits in allen Kliniken hinreichend aus- geschöpft wurde. Vielversprechende Ansatzpunkte für die Vermeidung von Zwangsbehandlungen liegen in einer stärker aufsuchenden Behandlung, dem systematischen Einsatz mil- derer Mittel in Krisensituationen, Behandlungsvereinbarun- gen und der Weiterentwicklung von psychotherapeutischen Behandlungsalternativen. Das Potenzial solcher Alternativen sollte stärker genutzt und erforscht werden.