„Trans* ist plural“: Behandlungsverläufe bei Geschlechtsdysphorie in einer deutschen kinder- und jugendpsychiatrischen Spezialambulanz

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@article{1b497506be7a4fd3bad0173e3b52e648,
title = "„Trans* ist plural“: Behandlungsverl{\"a}ufe bei Geschlechtsdysphorie in einer deutschen kinder- und jugendpsychiatrischen Spezialambulanz",
abstract = "Einleitung: F{\"u}r die kontrovers diskutierte Diagnose Geschlechtsinkongruenz (GI) / Geschlechtsdysphorie (GD) im Kindes- und Jugendalter werden international steigende Zahlen in der Inanspruchnahme sowie zunehmend heterogene Verl{\"a}ufe f{\"u}r trans* Entwicklungen berichtet. Bisher existieren nur wenige Studien, welche die Zuweisungszahlen und Behandlungsverl{\"a}ufe in auf trans* Kinder und Jugendliche spezialisierten Sprechstunden in Deutschland beschreiben.Forschungsziele: In der vorliegenden Studie werden deshalb die demografischen und klinischen Merkmale der vorstelligen trans* Kinder und Jugendlichen sowie die in der Hamburger Spezialsprechstunde f{\"u}r Geschlechtsidentit{\"a}t bzw. GI/GD (Hamburger GIS) erfolgte Diagnostik und Behandlung untersucht.Methoden: Deskriptive Angaben zum Zuweisungsgeschlecht und Alter, zur sozialen Vornamens{\"a}nderung, zum Behandlungsverlauf (Verlauf zwischen Zeitpunkt der Erstvorstellung und der Auswertung), zur Diagnose im Bereich einer GI/GD (gem{\"a}{\ss} ICD-10) und zum Behandlungsstatus von N = 680 Kindern und Jugendlichen (Zeitraum: 2013–2018) wurden retrospektiv erfasst.Ergebnisse: Die Mehrheit der insgesamt 680 vorstelligen Kinder und Jugendlichen hatte ein weibliches Zuweisungsgeschlecht (74 %; 1:3, M:F) und war bereits im Jugendalter (≥ 12 Jahre; 87 %). Eine soziale Vornamens{\"a}nderung war zum Zeitpunkt der Erstvorstellung h{\"a}ufig bereits erfolgt (66 %). Eine Diagnose im Bereich einer GI/GD erhielten 85 % der F{\"a}lle. Bei 75 % der Kinder und Jugendlichen war der Behandlungsverlauf bekannt, w{\"a}hrend der Behandlungsverlauf in 25 % der F{\"a}lle nicht nachvollzogen werden konnte. Es zeigten sich deskriptive Unterschiede zwischen den beiden Gruppen (bekannter vs. unbekannter Behandlungsverlauf) in Bezug auf alle untersuchten Variablen. 66 % der Jugendlichen, bei denen Angaben zum Behandlungsverlauf vorlagen, hatten eine geschlechtsangleichende k{\"o}rpermedizinische Behandlung erhalten.Schlussfolgerung: Die Ergebnisse der Auswertung verdeutlichen, dass trans* Kinder und Jugendliche, die sich in spezialisierten Sprechstunden f{\"u}r GI/GD vorstellen, eine heterogene Gruppe mit unterschiedlichen Merkmalen und Behandlungsverl{\"a}ufen darstellen. Geschlechtsangleichende k{\"o}rpermedizinische Behandlungen waren in vielen, aber nicht in allen F{\"a}llen indiziert. Aus der Heterogenit{\"a}t der Entwicklungs- und Behandlungsverl{\"a}ufe resultiert die zunehmende Bedeutung individualisierter, einzelfallbasierter Entscheidungen in einem interdisziplin{\"a}ren Behandlungssetting.",
author = "Lena Herrmann and Saskia Fahrenkrug and Carola Bindt and Franziska Breu and J{\"o}rn Grebe and Christoph Reichardt and Lammers, {Clara Sophie} and Inga Becker-Hebly",
year = "2022",
month = dec,
day = "6",
doi = "10.1055/a-1964-1907",
language = "Deutsch",
volume = "35",
pages = "209--219",
journal = "Z SEXUALFORSCH",
issn = "0932-8114",
publisher = "Georg Thieme Verlag KG",
number = "4",

}

RIS

TY - JOUR

T1 - „Trans* ist plural“: Behandlungsverläufe bei Geschlechtsdysphorie in einer deutschen kinder- und jugendpsychiatrischen Spezialambulanz

AU - Herrmann, Lena

AU - Fahrenkrug, Saskia

AU - Bindt, Carola

AU - Breu, Franziska

AU - Grebe, Jörn

AU - Reichardt, Christoph

AU - Lammers, Clara Sophie

AU - Becker-Hebly, Inga

PY - 2022/12/6

Y1 - 2022/12/6

N2 - Einleitung: Für die kontrovers diskutierte Diagnose Geschlechtsinkongruenz (GI) / Geschlechtsdysphorie (GD) im Kindes- und Jugendalter werden international steigende Zahlen in der Inanspruchnahme sowie zunehmend heterogene Verläufe für trans* Entwicklungen berichtet. Bisher existieren nur wenige Studien, welche die Zuweisungszahlen und Behandlungsverläufe in auf trans* Kinder und Jugendliche spezialisierten Sprechstunden in Deutschland beschreiben.Forschungsziele: In der vorliegenden Studie werden deshalb die demografischen und klinischen Merkmale der vorstelligen trans* Kinder und Jugendlichen sowie die in der Hamburger Spezialsprechstunde für Geschlechtsidentität bzw. GI/GD (Hamburger GIS) erfolgte Diagnostik und Behandlung untersucht.Methoden: Deskriptive Angaben zum Zuweisungsgeschlecht und Alter, zur sozialen Vornamensänderung, zum Behandlungsverlauf (Verlauf zwischen Zeitpunkt der Erstvorstellung und der Auswertung), zur Diagnose im Bereich einer GI/GD (gemäß ICD-10) und zum Behandlungsstatus von N = 680 Kindern und Jugendlichen (Zeitraum: 2013–2018) wurden retrospektiv erfasst.Ergebnisse: Die Mehrheit der insgesamt 680 vorstelligen Kinder und Jugendlichen hatte ein weibliches Zuweisungsgeschlecht (74 %; 1:3, M:F) und war bereits im Jugendalter (≥ 12 Jahre; 87 %). Eine soziale Vornamensänderung war zum Zeitpunkt der Erstvorstellung häufig bereits erfolgt (66 %). Eine Diagnose im Bereich einer GI/GD erhielten 85 % der Fälle. Bei 75 % der Kinder und Jugendlichen war der Behandlungsverlauf bekannt, während der Behandlungsverlauf in 25 % der Fälle nicht nachvollzogen werden konnte. Es zeigten sich deskriptive Unterschiede zwischen den beiden Gruppen (bekannter vs. unbekannter Behandlungsverlauf) in Bezug auf alle untersuchten Variablen. 66 % der Jugendlichen, bei denen Angaben zum Behandlungsverlauf vorlagen, hatten eine geschlechtsangleichende körpermedizinische Behandlung erhalten.Schlussfolgerung: Die Ergebnisse der Auswertung verdeutlichen, dass trans* Kinder und Jugendliche, die sich in spezialisierten Sprechstunden für GI/GD vorstellen, eine heterogene Gruppe mit unterschiedlichen Merkmalen und Behandlungsverläufen darstellen. Geschlechtsangleichende körpermedizinische Behandlungen waren in vielen, aber nicht in allen Fällen indiziert. Aus der Heterogenität der Entwicklungs- und Behandlungsverläufe resultiert die zunehmende Bedeutung individualisierter, einzelfallbasierter Entscheidungen in einem interdisziplinären Behandlungssetting.

AB - Einleitung: Für die kontrovers diskutierte Diagnose Geschlechtsinkongruenz (GI) / Geschlechtsdysphorie (GD) im Kindes- und Jugendalter werden international steigende Zahlen in der Inanspruchnahme sowie zunehmend heterogene Verläufe für trans* Entwicklungen berichtet. Bisher existieren nur wenige Studien, welche die Zuweisungszahlen und Behandlungsverläufe in auf trans* Kinder und Jugendliche spezialisierten Sprechstunden in Deutschland beschreiben.Forschungsziele: In der vorliegenden Studie werden deshalb die demografischen und klinischen Merkmale der vorstelligen trans* Kinder und Jugendlichen sowie die in der Hamburger Spezialsprechstunde für Geschlechtsidentität bzw. GI/GD (Hamburger GIS) erfolgte Diagnostik und Behandlung untersucht.Methoden: Deskriptive Angaben zum Zuweisungsgeschlecht und Alter, zur sozialen Vornamensänderung, zum Behandlungsverlauf (Verlauf zwischen Zeitpunkt der Erstvorstellung und der Auswertung), zur Diagnose im Bereich einer GI/GD (gemäß ICD-10) und zum Behandlungsstatus von N = 680 Kindern und Jugendlichen (Zeitraum: 2013–2018) wurden retrospektiv erfasst.Ergebnisse: Die Mehrheit der insgesamt 680 vorstelligen Kinder und Jugendlichen hatte ein weibliches Zuweisungsgeschlecht (74 %; 1:3, M:F) und war bereits im Jugendalter (≥ 12 Jahre; 87 %). Eine soziale Vornamensänderung war zum Zeitpunkt der Erstvorstellung häufig bereits erfolgt (66 %). Eine Diagnose im Bereich einer GI/GD erhielten 85 % der Fälle. Bei 75 % der Kinder und Jugendlichen war der Behandlungsverlauf bekannt, während der Behandlungsverlauf in 25 % der Fälle nicht nachvollzogen werden konnte. Es zeigten sich deskriptive Unterschiede zwischen den beiden Gruppen (bekannter vs. unbekannter Behandlungsverlauf) in Bezug auf alle untersuchten Variablen. 66 % der Jugendlichen, bei denen Angaben zum Behandlungsverlauf vorlagen, hatten eine geschlechtsangleichende körpermedizinische Behandlung erhalten.Schlussfolgerung: Die Ergebnisse der Auswertung verdeutlichen, dass trans* Kinder und Jugendliche, die sich in spezialisierten Sprechstunden für GI/GD vorstellen, eine heterogene Gruppe mit unterschiedlichen Merkmalen und Behandlungsverläufen darstellen. Geschlechtsangleichende körpermedizinische Behandlungen waren in vielen, aber nicht in allen Fällen indiziert. Aus der Heterogenität der Entwicklungs- und Behandlungsverläufe resultiert die zunehmende Bedeutung individualisierter, einzelfallbasierter Entscheidungen in einem interdisziplinären Behandlungssetting.

U2 - 10.1055/a-1964-1907

DO - 10.1055/a-1964-1907

M3 - SCORING: Zeitschriftenaufsatz

VL - 35

SP - 209

EP - 219

JO - Z SEXUALFORSCH

JF - Z SEXUALFORSCH

SN - 0932-8114

IS - 4

ER -