Molekulare Charakterisierung humaner Spermatogonien

Abstract

Fragestellung: Spermatogoniale Stammzellen (SSCs) als Untergruppe der Spermatogonienpopulation stellen die Grundlage für eine lebenslange Spermatogenese im adulten männlichen Organismus dar. Therapeutisch eingesetzt könnten diese Zellen einerseits zur Behandlung männlicher Fertilitätsstörungen dienen und andererseits Ausgangszellen für eine Restitution der Spermatogenese nach einer Radiatio und/oder Chemotherapie sein. SSCs könnten weiterhin eine Quelle zur Gewinnung von Zellen mit Stammzellpotenzial in der regenerativen Medizin darstellen. Die Umsetzung solcher therapeutischen Einsatzmöglichkeiten setzt eine umfassende Charakterisierung der Zellen voraus. Obwohl in der Vergangenheit viele Anstrengungen unternommen worden sind, mehr über SSCs innerhalb der gesamten Spermatogonienpopulation zu erfahren, konnten eindeutige Parameter, die ausschließlich den Stammzellpool der Spermatogonien betreffen, noch nicht festgelegt werden. Dies gilt sowohl auf morphologischer als auch auf molekularer Ebene. Die von uns initiierte molekulare Charakterisierung hatte vor allem das Ziel, nach Markern zu suchen, die auch später bei der klinischen Umsetzung eine wichtige Rolle spielen dürften. So könnten Zelloberflächenmoleküle für eine Isolierung von Zellen und eine Stimulation über entsprechende Liganden während einer Zellkultur benutzt werden. In dieser Arbeit wurde versucht, vorrangig diesem Aspekt nachzugehen.
Methodik: Zur Identifizierung spermatogonienspezifischer Marker führten wir eine Mikroarray-Analyse an Hodenbiopsien von Patienten zweier definierter Testispathologien durch. Der Array-Analyse folgte die Validation der Daten auf mRNA-Ebene mittels „real-time reverse transcription polymerase chain reaction“ („real-time RT-PCR“) sowie auf Proteinebene mittels Immunhistochemie.
Ergebnisse: Für die Mikroarray-Analyse wurden Hodenbiopsien von Patienten mit 2 einheitlichen Erscheinungsformen des Keimepithels, modifizierter Johnsen Score 2 (Sertolizell-Syndrom) und modifizierter Johnsen Score 3 (Tubuli seminiferi mit Spermatogonien als einzige Keimzellen) benutzt. Das Hodengewebe wurde im Vorfeld mikroskopisch (Semidünnschnitttechnik und „trial testicular sperm extraction“ [Test-TESE]) analysiert und den entsprechenden Scores zugeordnet. Zur Detektion spermatogonienspezifischer Gene wurde mit den nachfolgend gewonnenen Mikroarraydaten ein hierarchisches Clustering durchgeführt. Mit diesem Ansatz konnten unter Anwendung der Bonferroni-Korrektur 388 Gene ermittelt werden, die mit hoher statistischer Signifikanz zwischen den beiden pathologischen Zuständen differenziell exprimiert sind. Anschließend wurden ausgewählte Gene, die entweder relevant für die Pluripotenz von Zellen oder die spermatogoniale Funktion sind, sowohl auf mRNA-Ebene als auch auf Proteinebene validiert. Aus den gemessenen Fluoreszenzwerten (log 2) der Arrayanalyse sowie den „crossing points“ der Real-time-PCR wurden die Ratios der Genexpression zwischen Score 2 und Score 3 berechnet und zwischen den beiden Methoden verglichen. Dabei zeigte sich, dass die Ergebnisse gut übereinstimmen. Nachfolgende immunhistochemische Untersuchungen ergaben, dass die Mikroarray-Analyse auch für die Detektion neuer Marker für normale humane Spermatogonien geeignet ist, da hier Biopsien von Patienten mit vollständiger Spermatogenese herangezogen wurden. Als Oberflächenmarker für Spermatogonien wurden der Wachstumsfaktorrezeptor FGFR3 („fibroblast growth factor receptor 3“), ein Single-pass-Typ-1-Membranprotein, sowie das desmosomale Cadherin Desmoglein 2 (DSG2) nachgewiesen. Liganden der Rezeptor-Tyrosinkinase FGFR3 sind unter anderem der saure und der basische Fibroblastenwachstumsfaktor (aFGF und bFGF). Desmoglein 2 scheint auf den Spermatogonien auch außerhalb des desmosomalen Kontextes, über große Teile der Zelloberfläche verteilt, exprimiert zu sein.
Schlussfolgerung: Die hier durchgeführte Mikroarray-Analyse mit nachfolgender Validation führte zur Detektion spermatogonienspezifischer Marker. Aufgrund der Untersuchung von Spermatogonien in situ wurde der Gesamtzustand des Hodengewebes nach Erscheinen dieses Zelltyps erfasst und somit jegliche Veränderung in der globalen testikulären Genexpression zu diesem Zeitpunkt detektiert. Zelloberflächenmarker, wie FGFR3 und DSG2, könnten für die Isolierung von Spermatogonien bzw. spermatogonialen Stammzellen aus Hodengewebe sowie deren Proliferation und Differenzierung in Kultur relevant sein. Deswegen sollte man diese Proteine als Kandidaten für die Anreicherung und Isolation von Spermatogonien und möglicherweise auch spermatogonialer Stammzellen betrachten.

Bibliographical data

Original languageGerman
ISSN1810-2107
Publication statusPublished - 11.11.2009