Funktionalisierung des Trägermaterials von Cochlea-Implantaten mittels Dexamethason und Hydrogel: Effekt auf Bindegewebe in vitro und in vivo im Meerschweinchen

Abstract

Die Insertion von Cochlea-Implantaten ins Innenohr bewirkt häufig Entzündungsreaktionen und Fibrose in der Scala tympani und somit Bindegewebswachstum auf der Implantatoberfläche. Dies führt zu Funktionsverlusten und erhöhtem Energieverbrauch des Gerätes. Die Zielsetzung dieser Dissertation war die Reduktion von Bindegewebswachstum durch Dexamethason (Dex), freigesetzt aus dem Trägermaterial der Implantate (Polydimethylsiloxan, PDMS). Um Zell- und Proteinadhäsion zu verhindern, wurde dieses Silikon mit einer zusätzlichen Hydrogelschicht versehen (star shaped polyethylene glycol prepolymer, sPEG). Die Wirkstofffreisetzungsraten wurden über 3 Monate untersucht und es wurde eine Oberflächencharakterisierung durchgeführt. Wir beobachteten, dass die Hydrogelbeschichtung eine leichte Glättung der Oberfläche bewirkte, die durch die Dex-Kristalle aufgeraut worden war. Das Gel führte zu einer reduzierten und verlängerten Freisetzung des Medikaments über mehrere Monate. Unmodifizierte, sPEG-beschichtete, Dex-beladene und Dex/sPEG-bestückte PDMS-Filamente wurden in vitro mit fluoreszierenden Fibroblasten kokultiviert und nach einem Zeitintervall von 5 bzw. 7 Tagen quantifiziert. Es zeigte sich, dass eine erfolgreiche Dex-Freisetzung über einen langen Zeitraum von Monaten bis vermutlich Jahren machbar ist. Verglichen mit den unmodifizierten PDMS-Dummys wiesen alle modifizierten Filamente um durchschnittlich 95 % reduzierte Zellzahlen auf ihrer Oberfläche auf. Sowohl Dex als auch sPEG allein reduzierten bereits die Zellbesiedelung der Probenoberflächen (92-93 %), während die Kombination beider in vitro zum besten Ergebnis führte (99 %). Zudem war durch die Diffusion des Wirkstoffs ins Kulturmedium das Zellwachstum auf dem Boden der Dex-Proben enthaltenden Kulturplatten um ca. 70 % herabgesetzt.

Des Weiteren wurden die gleichen Probentypen unilateral bei Meerschweinchen implantiert. Nach 4 Wochen wurde der Hörstatus der Tiere überprüft und anschließend sowohl die Implantatposition als auch das Volumen des fibrösen Gewebes in der Scala tympani analysiert. Dazu wurden mittels Konfokaler Laser Scanning Mikroskopie (CLSM) transparente Komplettpräparate der Cochleae untersucht. Diese neu modifizierte Methode hat den Vorteil, fast vollautomatisch abzulaufen und ist ohne Ausbleichen mehrfach wiederholbar. Die Cochleae behalten ihre geometrische Struktur bei, während das Gewebe nur minimale bis keine Schrumpfungsartefakte und Schäden aufweist, was bei anderen histologischen Techniken unvermeidbar ist. Die CLSM eignete sich zudem hervorragend zur Darstellung des Rosenthalschen Kanals und der Quantifizierung der darin enthaltenen Spiralganglienzellen (SGZ): Hierzu wurden die Zellen erst manuell und dann software-gestützt ausgezählt. Zum Vergleich wurden in Paraffin eingebettete und geschnittene Meerschweinchencochleae ebenso analysiert. Die mittels CLSM untersuchten SGZ erreichten einen durchschnittlichen Durchmesser von 21 µm und eine Dichte von ca. 18 Zellen/10.000 µm² (n=8), wohingegen bei den Paraffinschnitten sich nur mittlere Durchmesser von 13,6 µm und eine Dichte von 9,5 Zellen/10.000 µm² (n=8) fanden. Zwischen manueller und automatischer Zählung gab es keine signifikante Differenz. Dies lässt darauf schließen, dass die semi-automatische CLSM-Methode eine aufwandsarme und effektive Zellzähl-Technik mit hohem Gewebeerhaltungsgrad darstellt. Zudem bietet sie die Möglichkeit, sowohl die Lage und Orientierung von Cochlea-Implantaten als auch Bindegewebswachstum darauf und in der Scala zu ermitteln.

In vivo fanden sich keine signifikanten Unterschiede der Hörschwellen in den implantierten Tiergruppen. Dennoch waren sPEG, Dex sowie deren Kombination (Dex/sPEG) in der Lage, die Bildung von Bindegewebe um die Implantate herum um jeweils ca. 55, 90 und 80 % zu reduzieren. Ähnlich der in vitro Ergebnisse erreichten Dex-beladene Proben durch Diffusion des Wirkstoffs eine stärkere Wachstumsinhibition auch in der umgebenden Scala tympani. Die in den Mittelwerten sichtbaren Tendenzen erwiesen sich jedoch als statistisch nicht signifikant, was vermutlich mit einer höheren Anzahl auszuwertender Tiere verbessert werden könnte.

Beide Studien liefern dennoch Belege dafür, dass das untersuchte Drug Delivery System eine erfolgreiche Langzeitfreisetzung von Dexamethason ermöglicht und dass es in vitro eine sehr gute, in vivo eine tendenzielle Reduktion von fibrösem Gewebe erreicht. Dies bietet eine vielversprechende Grundlage für weitere Untersuchungen. Die hier neu modifizierte Auswertungsmethode mittels CLSM erwies sich zudem als hervorragend geeignet zur semi-automatisierbaren histologischen und morphometrischen Analyse ganzer Cochleae mit darin enthaltenen Implantaten. Sie bietet damit eine attraktive Alternative zu den klassischen Methoden.

Bibliographical data

Original languageGerman
Publication statusPublished - 2013