Der Impact-Faktor — ein zuverlässiger scientometrischer Parameter?

Standard

Der Impact-Faktor — ein zuverlässiger scientometrischer Parameter? / Meenen, Norbert.

In: Unfallchirurgie, Vol. 23, No. 4, 4, 1997, p. 126-128.

Research output: SCORING: Contribution to journalSCORING: Journal articleResearchpeer-review

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Meenen, N 1997, 'Der Impact-Faktor — ein zuverlässiger scientometrischer Parameter?', Unfallchirurgie, vol. 23, no. 4, 4, pp. 126-128. https://doi.org/10.1007/BF02630217

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title = "Der Impact-Faktor — ein zuverl{\"a}ssiger scientometrischer Parameter?",
abstract = "Bei knappen Forschungsmitteln und zunehmender Stellenkonkurrenz in der Medizin werden Leistungsindikatoren und Steuerungsinstrumente gesucht, um Forschungsgelder und Berufungen leistungsabh{\"a}ngig vergeben zu k{\"o}nnen. F{\"u}r viele unverst{\"a}ndlich hat sich an deutschen Universit{\"a}ten der Impact-Faktor trotz erheblicher systematischer Schw{\"a}chen zum entscheidenden scientometrischen Indikator entwickelt. Der Impact-Faktor wird aus den Journal Citation Reports extrahiert, deren Berechnungsgrundlage folgende Probleme aufweist: Das Editorial Board des privaten Institute for Scientific Information (ISI) entscheidet {\"u}ber die Zuordnung einer Zeitschrift zu den Quell-Journalen, aus deren Zitaten allein sich der Zitierindex auch f{\"u}r Nicht-Quell-Zeitschriften berechnet. So sind durch Selbstzitate und Zitiergemeinschaften in Quell-Journals entscheidende Einflu{\ss}m{\"o}glichkeiten auf den Impact-Faktor gegeben. Nichtenglische Sprachen und nichtlateinische Alphabete sind bei dem Zitierindex erheblich benachteiligt, weshalb zum Beispiel die st{\"u}rmische Entwicklung der Osteosynthesetechnik in den deutschsprachigen L{\"a}ndern durch angloamerikanische Forscher trotz ihrer internationalen Bedeutung lange nicht zur Kenntnis genommen wurde. Auch die von Klinikern notwendigerweise in der jeweiligen Landessprache ver{\"o}ffentlichten Artikel zur beruflichen Fortbildung werden nicht zitiert, weil die Adressaten solcher Ver{\"o}ffentlichungen nicht forschen. Klinische F{\"a}cher, besonders hochspezialisierte wie Unfall-und Handchirurgie, erreichen damit erheblich geringere Impact-Fakoren f{\"u}r ihre Zeitschriften als Grundlagen- und Querschnittsf{\"a}cher, welche die Hitliste aller Zeitschriften anf{\"u}hren. Der Erfassungszeitraum f{\"u}r den Impact-Faktor betr{\"a}gt nur zwei Jahre, die Zitate werden durch die Zahl der ver{\"o}ffentlichten Artikel dividiert. Dadurch werden modernste und breite Publikationsorgane mit kurzer Halbwertszeit der Information gef{\"o}rdert. Es finden sich von den zehn objektiv meistzitierten und bedeutendsten Zeitschriften daher nur zwei unter jenen mit dem h{\"o}chsten Impact-Faktor. Der Impact-Spitzenreiter aus 1995 weist nur eine sehr geringe absolute Zahl an Zitaten auf. Der Impact-Faktor gibt begrenzte statistische Auskunft {\"u}ber eine Zeitschrift in ihrem Fachgebiet. Seine Benutzung zu diesem Zweck setzt die Kenntnis von Regeln, Grenzen und Einschr{\"a}nkungen voraus. Die kritiklose Anwendung als allgemeine Wissenschaftsw{\"a}hrung ist vom Ansatz her unwissenschaftlich und f{\"u}hrt au{\ss}erdem zu einer Entm{\"u}ndigung des Sachverstandes der Universit{\"a}ten zugunsten eines pseudoobjektiven, fremdbestimmten Parameters. Auf jeden Fall hat eine Normierung nach F{\"a}chern zu erfolgen. Die Fakult{\"a}ten sollten eine Einigung {\"u}ber relevante, auch deutsche Publikationsorgane erreichen. Als Indikator f{\"u}r Forschungsaktivit{\"a}t und -qualit{\"a}t eines Forschers oder einer Institution eignet sich der Impact-Faktor nicht. F{\"u}r die individuelle Beurteilung kann neben einer sorgf{\"a}ltigen fachlichen Pr{\"u}fung der Science Citation Index seinen Teil beitragen.",
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author = "Norbert Meenen",
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pages = "126--128",
number = "4",

}

RIS

TY - JOUR

T1 - Der Impact-Faktor — ein zuverlässiger scientometrischer Parameter?

AU - Meenen, Norbert

PY - 1997

Y1 - 1997

N2 - Bei knappen Forschungsmitteln und zunehmender Stellenkonkurrenz in der Medizin werden Leistungsindikatoren und Steuerungsinstrumente gesucht, um Forschungsgelder und Berufungen leistungsabhängig vergeben zu können. Für viele unverständlich hat sich an deutschen Universitäten der Impact-Faktor trotz erheblicher systematischer Schwächen zum entscheidenden scientometrischen Indikator entwickelt. Der Impact-Faktor wird aus den Journal Citation Reports extrahiert, deren Berechnungsgrundlage folgende Probleme aufweist: Das Editorial Board des privaten Institute for Scientific Information (ISI) entscheidet über die Zuordnung einer Zeitschrift zu den Quell-Journalen, aus deren Zitaten allein sich der Zitierindex auch für Nicht-Quell-Zeitschriften berechnet. So sind durch Selbstzitate und Zitiergemeinschaften in Quell-Journals entscheidende Einflußmöglichkeiten auf den Impact-Faktor gegeben. Nichtenglische Sprachen und nichtlateinische Alphabete sind bei dem Zitierindex erheblich benachteiligt, weshalb zum Beispiel die stürmische Entwicklung der Osteosynthesetechnik in den deutschsprachigen Ländern durch angloamerikanische Forscher trotz ihrer internationalen Bedeutung lange nicht zur Kenntnis genommen wurde. Auch die von Klinikern notwendigerweise in der jeweiligen Landessprache veröffentlichten Artikel zur beruflichen Fortbildung werden nicht zitiert, weil die Adressaten solcher Veröffentlichungen nicht forschen. Klinische Fächer, besonders hochspezialisierte wie Unfall-und Handchirurgie, erreichen damit erheblich geringere Impact-Fakoren für ihre Zeitschriften als Grundlagen- und Querschnittsfächer, welche die Hitliste aller Zeitschriften anführen. Der Erfassungszeitraum für den Impact-Faktor beträgt nur zwei Jahre, die Zitate werden durch die Zahl der veröffentlichten Artikel dividiert. Dadurch werden modernste und breite Publikationsorgane mit kurzer Halbwertszeit der Information gefördert. Es finden sich von den zehn objektiv meistzitierten und bedeutendsten Zeitschriften daher nur zwei unter jenen mit dem höchsten Impact-Faktor. Der Impact-Spitzenreiter aus 1995 weist nur eine sehr geringe absolute Zahl an Zitaten auf. Der Impact-Faktor gibt begrenzte statistische Auskunft über eine Zeitschrift in ihrem Fachgebiet. Seine Benutzung zu diesem Zweck setzt die Kenntnis von Regeln, Grenzen und Einschränkungen voraus. Die kritiklose Anwendung als allgemeine Wissenschaftswährung ist vom Ansatz her unwissenschaftlich und führt außerdem zu einer Entmündigung des Sachverstandes der Universitäten zugunsten eines pseudoobjektiven, fremdbestimmten Parameters. Auf jeden Fall hat eine Normierung nach Fächern zu erfolgen. Die Fakultäten sollten eine Einigung über relevante, auch deutsche Publikationsorgane erreichen. Als Indikator für Forschungsaktivität und -qualität eines Forschers oder einer Institution eignet sich der Impact-Faktor nicht. Für die individuelle Beurteilung kann neben einer sorgfältigen fachlichen Prüfung der Science Citation Index seinen Teil beitragen.

AB - Bei knappen Forschungsmitteln und zunehmender Stellenkonkurrenz in der Medizin werden Leistungsindikatoren und Steuerungsinstrumente gesucht, um Forschungsgelder und Berufungen leistungsabhängig vergeben zu können. Für viele unverständlich hat sich an deutschen Universitäten der Impact-Faktor trotz erheblicher systematischer Schwächen zum entscheidenden scientometrischen Indikator entwickelt. Der Impact-Faktor wird aus den Journal Citation Reports extrahiert, deren Berechnungsgrundlage folgende Probleme aufweist: Das Editorial Board des privaten Institute for Scientific Information (ISI) entscheidet über die Zuordnung einer Zeitschrift zu den Quell-Journalen, aus deren Zitaten allein sich der Zitierindex auch für Nicht-Quell-Zeitschriften berechnet. So sind durch Selbstzitate und Zitiergemeinschaften in Quell-Journals entscheidende Einflußmöglichkeiten auf den Impact-Faktor gegeben. Nichtenglische Sprachen und nichtlateinische Alphabete sind bei dem Zitierindex erheblich benachteiligt, weshalb zum Beispiel die stürmische Entwicklung der Osteosynthesetechnik in den deutschsprachigen Ländern durch angloamerikanische Forscher trotz ihrer internationalen Bedeutung lange nicht zur Kenntnis genommen wurde. Auch die von Klinikern notwendigerweise in der jeweiligen Landessprache veröffentlichten Artikel zur beruflichen Fortbildung werden nicht zitiert, weil die Adressaten solcher Veröffentlichungen nicht forschen. Klinische Fächer, besonders hochspezialisierte wie Unfall-und Handchirurgie, erreichen damit erheblich geringere Impact-Fakoren für ihre Zeitschriften als Grundlagen- und Querschnittsfächer, welche die Hitliste aller Zeitschriften anführen. Der Erfassungszeitraum für den Impact-Faktor beträgt nur zwei Jahre, die Zitate werden durch die Zahl der veröffentlichten Artikel dividiert. Dadurch werden modernste und breite Publikationsorgane mit kurzer Halbwertszeit der Information gefördert. Es finden sich von den zehn objektiv meistzitierten und bedeutendsten Zeitschriften daher nur zwei unter jenen mit dem höchsten Impact-Faktor. Der Impact-Spitzenreiter aus 1995 weist nur eine sehr geringe absolute Zahl an Zitaten auf. Der Impact-Faktor gibt begrenzte statistische Auskunft über eine Zeitschrift in ihrem Fachgebiet. Seine Benutzung zu diesem Zweck setzt die Kenntnis von Regeln, Grenzen und Einschränkungen voraus. Die kritiklose Anwendung als allgemeine Wissenschaftswährung ist vom Ansatz her unwissenschaftlich und führt außerdem zu einer Entmündigung des Sachverstandes der Universitäten zugunsten eines pseudoobjektiven, fremdbestimmten Parameters. Auf jeden Fall hat eine Normierung nach Fächern zu erfolgen. Die Fakultäten sollten eine Einigung über relevante, auch deutsche Publikationsorgane erreichen. Als Indikator für Forschungsaktivität und -qualität eines Forschers oder einer Institution eignet sich der Impact-Faktor nicht. Für die individuelle Beurteilung kann neben einer sorgfältigen fachlichen Prüfung der Science Citation Index seinen Teil beitragen.

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U2 - 10.1007/BF02630217

DO - 10.1007/BF02630217

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