Rheumatologische Versorgung in Deutschland

  • J Braun
  • K Albrecht
  • J Callhoff
  • I Haase
  • A Krause
  • H-J Lakomek
  • D Meyer-Olson
  • R Schmale-Grede
  • U Wagner
  • J Zeidler
  • S Zinke
  • A Voormann
  • C Specker
  • Kommission Versorgung der DGRh

Beteiligte Einrichtungen

Abstract

Hintergrund
Die Rheumatologie in Deutschland steht vor großen Herausforderungen: der Bedarf an rheumatologischer Versorgung steigt und kann aus Kapazitätsgründen bereits jetzt in einigen Regionen nicht mehr gedeckt werden. Zu viele Menschen mit einer entzündlich-rheumatischen Erkrankung (ERE) müssen auf eine angemessene Versorgung verzichten oder erhalten diese zu spät. Die 4. Neuauflage des Memorandums der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie und Klinische Immunologie e. V. (DGRh) informiert über die rheumatologische Versorgung in Deutschland. Es wurde unter Führung der DGRh mit dem Berufsverband Deutscher Rheumatologen (BDRh), dem Verband Rheumatologischer Akutkliniken (VRA), der Deutschen Rheuma-Liga (DRL) und dem Deutschen Rheuma-Forschungszentrum (DRFZ) erstellt.

Methoden
Das Memorandum beschreibt den aktuellen Stand und die Entwicklung folgender Bereiche: Anzahl der Personen mit ERE, ambulante, stationäre und rehabilitative Versorgungsstrukturen, Anzahl an Fachärzt:innen für Rheumatologie, Aus- und Weiterbildung, Versorgungsqualität, gesundheitsökonomische Aspekte und digitale Versorgungskonzepte. Vorschläge für gesundheitspolitische Maßnahmen zur Sicherung der rheumatologischen Versorgung werden dargestellt.

Ergebnisse
Prävalenz: Etwa 1,8 Mio. Erwachsene in Deutschland haben eine ERE. Die Prävalenz steigt aus verschiedenen Gründen: Veränderungen der Altersstruktur der Bevölkerung, verbesserte Diagnostik und Therapie mit längerem Überleben.

Versorgungsstrukturen: Neben der regulären kassenärztlichen Versorgung hat sich die ambulante spezialfachärztliche Versorgung (ASV) als sektorenübergreifendes Versorgungsmodell etabliert. Krankenhäuser können sich seit 2020 als rheumatologische Zentren zertifizieren lassen, was strukturelle Weiterentwicklungen ermöglicht.

Fachärzt:innen (FÄ) für Rheumatologie: Zum 31.12.2023 waren in Deutschland 1164 FÄ für Rheumatologie berufstätig. Vertragsärztlich waren dies 715 FÄ, davon 39 % angestellt. In Krankenhäusern waren 39 % der FÄ in Teilzeit tätig. Für eine bedarfsgerechte ambulante Versorgung benötigen wir mindestens 2 FÄ für Rheumatologie pro 100.000 Erwachsene, das sind rund 1400. Es fehlen also allein im ambulanten Bereich zum jetzigen Zeitpunkt etwa 700 FÄ für Rheumatologie. Von allen berufstätigen FÄ sind 30 % derzeit 60 Jahre und älter.

Ärztliche Ausbildung: Nur 10 von 38 (26 %) staatlichen Universitäten verfügen über einen eigenständigen rheumatologischen Lehrstuhl. Darüber hinaus sind 11 rheumatologisch geführte Abteilungen einem nicht-rheumatologischen Lehrstuhl untergeordnet. Nur 16 von 36 Fakultäten erfüllten in der RISA III-Studie die empfohlene Mindestzahl an Pflichtstunden studentischer rheumatologischer Lehre.

Rheumatologische Weiterbildung: Die jährlichen Weiterbildungsabschlüsse für Rheumatologie decken nicht den Bedarf an rheumatologischen FÄ, der durch steigende Arbeitsbelastung, reduzierte Kapazitäten durch Pensionierung und zunehmende Teilzeittätigkeit noch zunimmt.

Versorgungsqualität: Rheuma-Betroffene haben seit Einführung hochwirksamer Medikamente eine deutlich bessere Aussicht auf eine Remission ihrer Erkrankung. Bei frühzeitiger adäquater Therapie ist die Lebensführung vieler Betroffener kaum noch eingeschränkt. Die Wartezeit auf eine rheumatologische Erstvorstellung beträgt aber oft mehr als 3 Monate. Qualitätsziel ist eine Vorstellung innerhalb der ersten 6 Wochen nach Symptombeginn. Frühsprechstunden, Delegation ärztlicher Leistungen, strukturierte Patientenschulungen und digitale Versorgungskonzepte wurden positiv evaluiert, sind aber nicht finanziell gedeckt.

Kosten: Die jährlichen Gesamtkosten allein für entzündliche Gelenkerkrankungen belaufen sich auf etwa 3 Mrd. €. Die direkten Kosten sind seit Einführung der Biologika deutlich gestiegen, während indirekte Kosten für Krankschreibung, Erwerbsunfähigkeit und stationäre Aufenthalte gesunken sind.

Fazit
Kernforderungen dieses Memorandums sind: die deutliche und nachhaltige Steigerung der Zahl von Weiterbildungsstellen im ambulanten und stationären Bereich, die Schaffung von Lehrstühlen oder mindestens eigenständigen Abteilungen für Rheumatologie an allen Universitäten sowie die weitere Umsetzung neuer und sektorenübergreifender Versorgungsformen. Dies stellt eine bedarfsgerechte, moderne rheumatologische Versorgung für alle Betroffenen auch in Zukunft sicher.

Bibliografische Daten

Titel in ÜbersetzungRheumatological care in Germany: Memorandum of the German Society for Rheumatology and Clinical Immunology 2024
OriginalspracheDeutsch
ISSN0340-1855
DOIs
StatusVeröffentlicht - 08.2024

Anmerkungen des Dekanats

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PubMed 39136764