Pandemic Preparedness bei der Obduktion? Potentiale und Grenzen des IfSG

Beteiligte Einrichtungen

Abstract

ls der COVID-19-Ausbruch sich zu einer offiziellen Pan-
demie ausweitete, stand unsere Rechtsordnung vor der
Grundfrage, wie der Schutz vor einer auch lebensgefähr-
lichen Infektion unter einer weithin fehlenden Fakten-
kenntnis mit den Grundrechten ausgeglichen werden soll-
te. Bekanntlich war insbesondere ein so nie dagewesener
Lockdown die möglicherweise wiederkehrende Antwort.
Vor allem wissenschaftlichen Erkenntnissen und Inno-
vationen ist es zu verdanken, dass wir unsere Freiheit heu-
te mit deutlich abgeschwächten Schutzmaßnahmen wie-
der ausleben können. Schon in der dunklen Anfangszeit
der Pandemie waren Hoffnungsschimmer in Deutschland
insbesondere einer international viel beachteten Obdukti-
onsserie zu entnehmen, die unter der Federführung von
Prof. Dr. med. Klaus Püschel am Institut für Rechtsme-
dizin des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf
(UKE) entstanden war1
. Durch die Anordnung systema-
tischer Obduktionen2 corona-assoziierter Todesfälle nach
§ 25 Abs. 1, 4 S. 2 IfSG konnten Erkenntnisse hinsichtlich
der Pathologie und dem spezifischen Gewebetropismus des
SARS-CoV-2-Virus gewonnen werden3 . Sie führten u. a.
zu einer intensivierten Thromboembolieprophylaxe bei der
Behandlung von COVID-19-Erkrankten. Risikofaktoren
für einen schwerwiegenden Krankheitsverlauf wurden
erkannt4 , was spezifischere Schutzmaßnahmen für vulne-
rable Personengruppen denkbar werden ließ. Dieser sog.
Hamburger Weg wurde im NUM, dem später vom Bun-
desministerium für Bildung und Forschung (BMBF) zur
akademischen Pandemieabwehr gegründeten deutschen
Netzwerk Universitätsmedizin als vorbildhaft empfunden;
seine deutschlandweite Etablierung als Mittel der seit 2020
angestrebten pandemic preparedness wurde untersucht und
zum Ziel erklärt5 .
Sind wir dementsprechend gut für die uns nun nicht mehr
nur theoretisch erscheinende nächste Pandemie aufgestellt?
Werden wissenschaftliche Höchstleistungen erneut zügig so-
wohl Menschenleben als auch Freiheitsrechte schützen? Lei-
der ist hier zu zeigen, dass die pandemic preparedness im Kon-
text der Obduktion auch aus Rechtsgründen bisher fehlt.
Zunächst wird die Rechtsgrundlage der Amtsobduktion und
ihre Evolution im Pandemieverlauf vorgestellt (I.). Es wird
verdeutlicht, welche Hürden einer bundesweit überzeugen-
den Obduktionspraxis im Pandemiekontext entgegenstehen
(II.). Dies führt dazu, die Reichweite der zulässigen Amtsobduktion zu analysieren und zu bewerten (III.). Daraus sind
Schlussfolgerungen zu ziehen, die den tatsächlichen, aber
auch rechtlichen Handlungsbedarf umreißen (IV.).

Bibliografische Daten

OriginalspracheDeutsch
ISSN0723-8886
DOIs
StatusVeröffentlicht - 30.11.2022