Gesundheitskompetenz und Hausarztbindung nicht dringlicher Patientinnen und Patienten in Notaufnahmen: Ergebnisse der PiNo-Studie in Hamburg und Schleswig-Holstein

Abstract

Hintergrund
Die starke Inanspruchnahme von Krankenhausnotaufnahmen durch Patient*innen ohne hohe Behandlungsdringlichkeit stellt eine große Herausforderung dar. Ein erheblicher Teil der Notaufnahmepopulation könnte auch im ambulanten Bereich versorgt werden. Über die Begleitumstände der Nicht-Inanspruchnahme der ambulanten Versorgung (trotz Indikation) ist wenig bekannt. Die Ausprägung der Gesundheitskompetenz wird oft genannt, um die nicht-dringliche Inanspruchnahme von Notaufnahmen zu erklären. Inwieweit eine ausgeprägte Bindung an die hausärztliche Versorgung moderierend wirken könnte, ist aktuell nicht bekannt.
Methode
Die Daten für diese Sekundärauswertung einer nicht-dringlichen Notaufnahmepopulation stammen aus der querschnittlichen Erhebung PiNo Nord „Patienten in der Notaufnahme von norddeutschen Kliniken“ (Scherer et al. 2017). In fünf Kliniken in Hamburg und Schleswig-Holstein wurden die Gesundheitskompetenz und die Intensität der Hausarztbindung mittels Selbstauskunftsbogen (HLS-EU-Q16, F-HaBi) erfasst. Neben der deskriptiven Datenanalyse erfolgte mittels linearer Regression die Schätzung des Einflusses der Hausarztbindung und weiterer somatischer, psychischer sowie soziodemografischer Merkmale der Population auf die Gesundheitskompetenz.
Ergebnisse
548 nicht-dringliche erwachsene Patient*innen (MW Alter 41,5 Jahre, 54,4 % Männer) gingen in die Auswertung ein: 55,5 % verfügten über ausreichende, 31,4 % über problematische und 13,1 % über inadäquate Gesundheitskompetenz. 88,3 % der Population hatten einen Hausarzt oder eine Hausärztin. Eine höhere Intensität der Hausarztbindung, weibliches Geschlecht, eine höhere subjektive Behandlungsdringlichkeit, eine gute Selbstwirksamkeitserwartung und gute soziale Unterstützung waren mit höherer Gesundheitskompetenz assoziiert. Keine Zusammenhänge zeigten sich bezüglich Alter, Haushaltseinkommen, Bildung und Migrationshintergrund, aktuellen Schmerzen oder dem Ausprägungsgrad körperlicher Beschwerden.
Diskussion
Nicht-dringliche Patient*innen der PiNo Nord-Studie, die den HLS-EU-Q16 beantwortet haben, wiesen eine vergleichbare Gesundheitskompetenz auf wie die Gesamtbevölkerung. Gesundheitskompetenz und Hausarztbindung waren positiv assoziiert. Allerdings war die Intensität der Hausarztbindung eher gering ausgeprägt. Der Umstand, dass eher jüngere Befragte Auskunft über ihre Gesundheitskompetenz gegeben haben, sowie die Verfügbarkeit von Fachspezialist*innen im städtischen Bereich könnten diese Befunde erklären.
Schlussfolgerung
Die Verbesserung der Bindung zu Hausarzt oder Hausärztin könnte die Vermittlung individuell angepasster Informationen zum Verhalten im Gesundheitssystem beinhalten. Dies könnte den Patient*innen die Auswahl einer adäquaten Versorgungsebene erleichtern und somit einen steuernden Effekt auf die Inanspruchnahme der Notaufnahmen durch Menschen mit nicht-dringlichen Behandlungsanlässen haben.

Bibliografische Daten

Titel in ÜbersetzungHealth literacy and commitment to a general practitioner in low-acuity patients of emergency departments: results of the PiNo observational study in Northern Germany
OriginalspracheDeutsch
ISSN1865-9217
DOIs
StatusVeröffentlicht - 12.2022

Anmerkungen des Dekanats

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PubMed 36400677