Einstellungen der Bevölkerung zum Sexualverhalten – Ergebnisse der Studie „Gesundheit und Sexualität in Deutschland (GeSiD)“

Abstract

Einleitung: In Deutschland hat sich der gesellschaftliche Diskurs um sexualitätsbezogene Themen in den letzten Jahrzehnten auch im Zusammenhang mit der sich ändernden Gesetzgebung gewandelt. So waren beispielsweise sexuelle Handlungen zwischen Männern bis 1994 illegal und die vollständige rechtliche Gleichstellung von heterosexuellen und homosexuellen Ehen war 2017 ein wichtiger Schritt zu mehr Akzeptanz und Gleichberechtigung. Die Rechtsgrundlage ist jedoch nicht der einzige Indikator für die Akzeptanz sexueller Vielfalt und Freizügigkeit. So stehen soziodemografische oder kulturelle Faktoren im Zusammenhang mit sexuellen Einstellungen. Für Deutschland wurden nun erstmalig Daten zu den Einstellungen zum Sexualverhalten auf Bevölkerungsebene in Abhängigkeit von bestimmten Merkmalen der Befragten untersucht.

Methoden: Ziel der vorliegenden Studie war die Analyse der Einstellungen gegenüber unterschiedlichen Verhaltensweisen (außerehelicher Sex, Schwangerschaftsabbruch, gleichgeschlechtliche sexuelle Aktivitäten, Sexarbeit, Promiskuität, Sex ohne Liebe) in der deutschen Bevölkerung. Alter, Geschlecht, Bildung, religiöse Aspekte sowie Migrationshintergrund wurden als Prädiktoren eingeführt. Die Daten stammen aus der Studie „Gesundheit und Sexualität in Deutschland“ (GeSiD; N=4.955), in der deutschlandweit von Oktober 2018 bis September 2019 computergestützte Face-to-Face-Interviews, mit einem großen Selbstausfüllteil, durchgeführt wurden.

Ergebnisse: Insgesamt lehnten die Befragten Promiskuität (61 %) und außerehelichen Sex (81 %) eher ab und befürworteten eher gleichgeschlechtliche sexuelle Aktivitäten (63-70 %). Männliche Befragte lehnten letztere sowie Schwangerschaftsabbrüche eher ab. Höhere Bildung war mit größerer Akzeptanz assoziiert, während ein Migrationshintergrund (1. Generation), muslimischer Glaube und die Häufigkeit des praktizierten Glaubens mit geringerer Akzeptanz assoziiert waren.

Schlussfolgerung: Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass die soziodemografischen und soziokulturellen Faktoren Geschlecht, Bildung, Migrationshistorie sowie Religion eine wichtige Rolle in Bezug auf die Liberalität gegenüber sexuellen Verhaltensweisen spielen. Männliche Befragte zeigten tendenziell traditionellere und heteronormativere Werte in Bezug auf die Geschlechterrollen. Dass Migrant:innen der 2. Generation ähnlich akzeptierend wie Befragte ohne Migrationshintergrund geantwortet haben, deutet auf Akkulturationsprozesse in Bezug auf sexuelle Einstellungen hin. Sexualerziehung sollte kultursensibel sein und Unterschiede in Bezug auf sexualitätsbezogene Normen und Werte berücksichtigen.

Bibliografische Daten

OriginalspracheDeutsch
ISSN0941-3790
DOIs
StatusVeröffentlicht - 22.08.2022