Die Kieler Beckensammlung und die Quantifizierung der schweren Geburt

Abstract

Seit dem 17. Jahrhundert waren Fehlbildungen des weiblichen Beckens als Ursache schwerster Geburtskomplikationen bekannt. Im 19. Jahrhundert avancierte das sogenannte enge Becken zu einem zentralen Forschungsobjekt der medizinischen Geburtshilfe. Umfangreiche Sammlungen weiblicher Beckenpräparate entstanden. Dieser Beitrag untersucht die Entstehung und die Verwendungsweisen der sogenannten Kieler geburtshilflichen Beckensammlung, die ab den 1830er Jahren im Rahmen der Erforschung des engen Beckens durch den Geburtshelfer Gustav Adolf Michaelis angelegt wurde. Er entwickelte eine breit einsetzbare Technik zur Vermessung des Beckens und untersuchte das Problem mittels statistischer Analysen an hunderten seiner Patientinnen. Wie der Beitrag zeigt, hatte dieser wegweisende metrisch-quantitative Zugriff auf das Phänomen seine Ursprünge in den Verwaltungspraktiken der Kieler Gebäranstalt, die eine Institution der Armenfürsorge war. In der klinischen Praxis zeigten sich jedoch umgehend die Grenzen einer auf Beckenmessung beruhenden Geburtsplanung, die das Scheitern der Methode vorzeichneten. Dennoch wurden Michaelis und seine Sammlung von einer positivistisch-hagiografischen Medizinhistoriografie vereinnahmt.

Bibliografische Daten

Titel in ÜbersetzungThe Pelvis Collection in Kiel and the Quantification of Difficult Birth
OriginalspracheDeutsch
ISSN0025-8431
DOIs
StatusVeröffentlicht - 03.2023