Der Impact-Faktor — ein zuverlässiger scientometrischer Parameter?

  • Norbert Meenen

Abstract

Bei knappen Forschungsmitteln und zunehmender Stellenkonkurrenz in der Medizin werden Leistungsindikatoren und Steuerungsinstrumente gesucht, um Forschungsgelder und Berufungen leistungsabhängig vergeben zu können. Für viele unverständlich hat sich an deutschen Universitäten der Impact-Faktor trotz erheblicher systematischer Schwächen zum entscheidenden scientometrischen Indikator entwickelt. Der Impact-Faktor wird aus den Journal Citation Reports extrahiert, deren Berechnungsgrundlage folgende Probleme aufweist: Das Editorial Board des privaten Institute for Scientific Information (ISI) entscheidet über die Zuordnung einer Zeitschrift zu den Quell-Journalen, aus deren Zitaten allein sich der Zitierindex auch für Nicht-Quell-Zeitschriften berechnet. So sind durch Selbstzitate und Zitiergemeinschaften in Quell-Journals entscheidende Einflußmöglichkeiten auf den Impact-Faktor gegeben. Nichtenglische Sprachen und nichtlateinische Alphabete sind bei dem Zitierindex erheblich benachteiligt, weshalb zum Beispiel die stürmische Entwicklung der Osteosynthesetechnik in den deutschsprachigen Ländern durch angloamerikanische Forscher trotz ihrer internationalen Bedeutung lange nicht zur Kenntnis genommen wurde. Auch die von Klinikern notwendigerweise in der jeweiligen Landessprache veröffentlichten Artikel zur beruflichen Fortbildung werden nicht zitiert, weil die Adressaten solcher Veröffentlichungen nicht forschen. Klinische Fächer, besonders hochspezialisierte wie Unfall-und Handchirurgie, erreichen damit erheblich geringere Impact-Fakoren für ihre Zeitschriften als Grundlagen- und Querschnittsfächer, welche die Hitliste aller Zeitschriften anführen. Der Erfassungszeitraum für den Impact-Faktor beträgt nur zwei Jahre, die Zitate werden durch die Zahl der veröffentlichten Artikel dividiert. Dadurch werden modernste und breite Publikationsorgane mit kurzer Halbwertszeit der Information gefördert. Es finden sich von den zehn objektiv meistzitierten und bedeutendsten Zeitschriften daher nur zwei unter jenen mit dem höchsten Impact-Faktor. Der Impact-Spitzenreiter aus 1995 weist nur eine sehr geringe absolute Zahl an Zitaten auf. Der Impact-Faktor gibt begrenzte statistische Auskunft über eine Zeitschrift in ihrem Fachgebiet. Seine Benutzung zu diesem Zweck setzt die Kenntnis von Regeln, Grenzen und Einschränkungen voraus. Die kritiklose Anwendung als allgemeine Wissenschaftswährung ist vom Ansatz her unwissenschaftlich und führt außerdem zu einer Entmündigung des Sachverstandes der Universitäten zugunsten eines pseudoobjektiven, fremdbestimmten Parameters. Auf jeden Fall hat eine Normierung nach Fächern zu erfolgen. Die Fakultäten sollten eine Einigung über relevante, auch deutsche Publikationsorgane erreichen. Als Indikator für Forschungsaktivität und -qualität eines Forschers oder einer Institution eignet sich der Impact-Faktor nicht. Für die individuelle Beurteilung kann neben einer sorgfältigen fachlichen Prüfung der Science Citation Index seinen Teil beitragen.

Bibliografische Daten

Titel in ÜbersetzungThe impact factor — a reliable scientometric parameter?
OriginalspracheDeutsch
Aufsatznummer4
ISSN0340-2649
DOIs
StatusVeröffentlicht - 1997
pubmed 9381604