Hintergrund: Die Unterbrechung einer Dauertherapie mit Acetylsalicylsäure (ASS) vor nichtkardiochirurgischen Eingriffen kann bei Risikopatienten, insbesondere nach perkutaner Koronarintervention (PCI) mit Stentimplantation, kardiale Ereignisse verursachen. Welche Faktoren die Entscheidung zur Therapieunterbrechung beeinflussen, ist bisher unbekannt.
Methode: In einer monozentrischen Querschnittstudie (retrospektive Registrierung: NCT03049566) wurden im Zeitraum 2/2014–12/2014 nichtkardiochirurgische Patienten mit ASS-Dauertherapie sowie deren zuständige Anästhesiologen präoperativ mittels standardisierter Fragebögen zu perioperativer ASS-Medikation, Komorbiditäten und Nutzen-Risiko-Bewertungen befragt. Primäres Ziel war die Identifizierung von Faktoren, welche mit dem Entschluss der ASS-Therapieunterbrechung assoziiert sind. Präsentiert werden multivariable logistische Regressionen und Intra-Klassen-Korrelationen.
Ergebnisse: 805 Patienten wurden eingeschlossen und ein Rücklauf von 636 Fragebögen erzielt (darunter 203 Patienten mit Koronarstents). Die ASS Dauertherapie unterbrachen 46,8 % der Patienten präoperativ, davon setzten 38,7 % zu früh (> 10 Tage präoperativ) oder zu spät (≤ 3 Tage) ab. Eine vorausgegangene PCI mit Stentimplantation reduzierte die Wahrscheinlichkeit der
Therapieunterbrechung (Odds Ratio [OR] = 0,47 [0,31; 0,72]; p < 0,001). Hingegen pausierten Patienten häufiger die ASS-Dauertherapie, wenn diese früher
bereits einmal unterbrochen wurde (OR = 4,58 [3,06; 6,84]; p < 0,001), ein
Blutungsrisiko in geschlossene Kompartimente bestand (OR = 4,54 [2,02; 10,22];
p < 0,001), ihnen die Verordnungsindikation unbekannt war (OR = 2,12 [1,05;
4,28]; p = 0,036) oder das Anästhesievorgespräch < 2 Tage präoperativ erfolgte
(OR = 1,60 [1,08; 2,37]; p = 0,018). Patienten bewerteten das hiermit verbundene
Risiko häufig niedriger als die zuständigen Ärzte.
Schlussfolgerung: Die Studie offenbart Diskrepanzen zwischen Leitlinienempfehlungen und klinischer Versorgungsrealität bei Patienten mit Koronarstents. Frühzeitige Einbindung von Kardiologen und Anästhesiologen sowie ein flächendeckender Einsatz von Stent-Pässen könnte die Therapieadhärenz fördern.